Bisher sah Verkehrsminister Volker Wissing keine Notwendigkeit, von der Null-Toleranz-Strategie für Kiffer im Straßenverkehr abzuweichen. Nun aber rudert er zurück und leitet die ersten Schritte für eine mögliche Anhebung der THC-Grenzwerte ein. Kritiker und Befürworter haben sich längst in Stellung gebracht. Eine Übersicht zur Diskussion.
Die Regierungsvereinbarung
Die Cannabis-Legalisierung ist ein zentrales Vorhaben der amtierenden Bundesregierung von SPD, Grüne und FDP. Entsprechend wurde das nach der Wahl zwischen den Parteien vertraglich vereinbart. Obwohl der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Verantwortung dafür trägt, wurden schnell auch Forderungen an das Verkehrsministerium laut, im Zuge dessen eine gesetzliche Regelung für den Konsum im Straßenverkehr zu schaffen. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) sah bis vor kurzem keinen Grund, die jetzigen THC-Grenzwerte anzuheben. Gegenüber der Legal-Tribune-Online betonte das Ministerium: „Das BMDV sieht derzeit keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf für eine Änderung des § 24a Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG)“.
Die angesprochene Vorschrift besagt:
„Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird.“
Inzwischen wird nun aber im Verkehrsministerium darüber nachgedacht, diese Regel für Cannabis-Konsumenten aufzuweichen.
Gibt es überhaupt einen Grenzwert für THC?
Die Antwort gibt Christian Marnitz, Fachanwalt für Verkehrsrecht. Er ist tätig im Auftrag für Geblitzt.de: „Nein, im Gegensatz zum Alkohol gibt es keine Grenzwerte für Drogen am Steuer, die die relative und absolute Fahruntüchtigkeit bestimmen. Es gibt allerdings Empfehlungen einer Grenzwertkommission für Wirkstoffnachweise einzelner Betäubungsmittel. Diese Empfehlungen werden in der Rechtsprechung berücksichtigt. Für Cannabis liegt der analytische Grenzwert bei 1,0 ng/ml THC -Gehalt im Blut. THC (Delta-9-Tetrahydrocannabinol) ist der psychoaktive Bestandteil von Cannabis, der für die berauschende Wirkung verantwortlich ist. Ab 1,0 ng/ml THC im Blut ist der Drogeneinfluss juristisch nachgewiesen. In diesem Fall begeht derjenige eine Ordnungswidrigkeit“.
Der Unterschied zum Alkohol
Doch anders als beim Alkohol bleibt THC länger im Körper nachweisbar. Somit können auch Autofahrer bestraft werden, die während der Fahrt offenbar unter keinem Rausch stehen. Aber noch vor einigen Tagen Gras konsumiert haben. Sollten bekiffte Fahrzeugführer dabei das erste Mal erwischt werden, drohen in der Regel ein Bußgeld in der Höhe von 500 Euro, zwei Punkte in Flensburg und ein einmonatiges Fahrverbot. Schlimmer könnte es Wiederholungstäter treffen. In solchen Fällen würde sich das Bußgeld gegebenenfalls auf bis zu 3000 Euro erhöhen. Zumindest für Ersttäter, die unter einer noch zu findenden Grenze bleiben, könnte sich die Rechtslage somit verbessern.
Verkehrsrechtler wären dafür
Verkehrsexperten und Rechtsmediziner fordern schon seit längerem eine Anhebung des derzeitigen Grenzwertes für THC im Blut im Straßenverkehr. Denn zurzeit kann mit den Werten nur der Konsum von Cannabis bewiesen werden, „aber nicht zwingend einen Rückschluss auf eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung (belegen)“. Ein Argument, dass die Befürworter einer Änderung der gültigen Regel im Rahmen des 60. Deutschen Verkehrsgerichtstages vorgebracht haben.
Wissing beauftragt Arbeitsgruppe zur Überprüfung
In Zuge der hitzigen Debatte um die Anhebung der Grenzwerte für THC hat Verkehrsminister Wissing seine Verweigerungshaltung aufgegeben. So schließt sich Wissing dem Wunsch seiner Parteifreundinnen an. Kristine Lütke, sucht- und drogenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Liberalen, sagte zu Wissings vorherigen Position „Der THC-Grenzwert im Straßenverkehr muss im Zuge der Legalisierung von Cannabis erhöht werden“. Zudem wünschte sie sich, „dass Verkehrsminister Wissing die THC-Grenzwerte zeitnah überprüfen lässt und sinnvoll nach oben anpasst“.
Inzwischen ist der Verkehrsminister den Wünschen gegenüber aufgeschlossen und will handeln. Eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe soll Vorschläge für THC-Grenzwerte erarbeiten. Diese besteht aus Experten aus Medizin, Recht und Verkehr.
Die Grenzwertfindung dauert an
Wann mit Ergebnissen der Arbeitsgruppe zu rechnen ist, bleibt ebenso offen wie ein Grenzwert. Ob und unter welchen Umständen nach dem Kiffen noch Auto gefahren werden darf, kann zum jetzigen Zeitpunkt keiner sagen. So hat auch die Grenzwertkommission (GWK) deren vorherige Stellung zum wissenschaftlichen THC-Grenzwert abgeändert und ist zu dem Entschluss gekommen, dass es eine politische Entscheidung sei und keine rein wissenschaftliche. Professor Stefan Tönnes Vorsitzender der GWK, sagt: „Es (gibt) keine Möglichkeit, einen wirkungs-, gefahren- oder risikobezogenen THC-Blut/Serum-Konzentrations-Grenzwert mit vertretbarer wissenschaftlicher Begründung festzulegen“.
Die juristische Lösung
Verkehrsexperten des Deutschen Anwaltsverein (DAV) haben eine Lösung parat, die auch zum Teil von der GWK unterstützt wird. So hat der Vorsitzende der GWK seit längerem eine Anhebung auf 3,5 ng/ml vorgeschlagen. Verkehrsrechtler Andreas Krämer vom DAV pflichtet bei: „Diese noch sehr defensive Anhebung kann jedenfalls auch bei nicht zu erreichender Einzelfallungerechtigkeit eine pragmatische Lösung sein, um wenigstens die Fälle aus der verkehrsrechtlichen Kriminalisierung herauszunehmen, die keine Gefährdung des Straßenverkehrs darstellen“.
Zusage der FDP
Die FDP sieht die Pläne einer Arbeitsgruppe bereits als Zeichen, dass es zu einer Anhebung des THC-Grenzwertes kommen wird. So feiert Lütke, sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP auf Twitter, schon bevor es bekannt war, wann und mit wem die Arbeitsgruppe mit ihrer Arbeit loslegt: „Good News. Im Zuge der Legalisierung von Cannabis werden die THC-Grenzwerte im Straßenverkehr von unserem Verkehrsminister Wissing überprüft und angepasst. Die kontrollierte Freigabe von Cannabis darf nicht durch die Hintertür torpediert werden.“
Nach Lütkes Aussage geht es nicht mehr darum, ob es eine Anhebung geben wird, sondern nur noch, wie hoch diese sein soll.
Die nächsten Schritte
Doch das BMDV ist eher zurückhaltender und will keine Prognose abgeben. „Im Rahmen des § 24a Abs. 1 StVG ist nach der bisherigen Rechtsprechung allein entscheidend, ob die Möglichkeit der Beeinträchtigung der Fahruntüchtigkeit bestand“, so das BMDV. Es bleibt einzig und allein auf die Ergebnisse der Arbeitsgruppe abzuwarten.
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Quellen: gesetze-im-internet.de, lto.de