Stau, Rettungsgasse und Standstreifen – dürfen Bikes sich hier vorbeidrängeln?
Durch den Stau geschlängelt? Fast jeder Autofahrer kennt das mulmige Gefühl, wenn sich ein Motorrad fast ohne Abstand durch eine Lücke zu zwängen versucht. Diese Manöver werden manchmal auch als „Streifenreiten“ oder „Lane Splitting“ bezeichnet. Einige Kradfahrer denken sich: „Ich bin kleiner und schmäler, also darf ich das!“ Aber stimmt das auch? Melanie Leier, Verkehrsrechtsexpertin und Partneranwältin von Geblitzt.de, erklärt die Rechtslage.
Es kommt auf den Abstand an
Grundsätzlich ist es Motorradfahrern erlaubt, Fahrzeuge links zu überholen. Solange keine durchgezogene Linie überfahren wird, gilt dies auch zwischen dem äußersten linken Fahrstreifen und der Mittelleitplanke. Das Problem beim Durchschlängeln durch einen Stau auf der Autobahn ist vielmehr der Sicherheitsabstand. Ein ganzer Meter ist erforderlich, damit Biker links sicher vorbeifahren dürfen.
Ist das nicht der Fall, sollte auf das Überholen verzichtet werden. Denn unerwartet ausscherende Fahrzeuge und sich plötzlich öffnende Türen können zu lebensgefährlichen Hindernissen für Biker werden, die in diesem Fall sogar eine Mitschuld tragen würden. Dies gilt auch für das Durchschlüpfen zwischen Fahrzeugen des rechten und des linken Fahrstreifens.
Überholverbot: Auch schmale Krafträder müssen warten
Verkehrsrechtsexpertin Leier erklärt warum: „Laut §1 Absatz 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) müssen Verkehrsteilnehmer rücksichtsvoll und vorsichtig fahren. Außerdem gelten das Rechtsüberholverbot, ein Verbot des Überholens bei unklarer Verkehrslage und ein vorgeschriebener Mindestseitenabstand beim Überholen. Im stockenden Verkehr oder Stau müssen Motorradfahrer daher in der Regel wie Autofahrer warten. Schlängeln sie sich dennoch vorbei, droht ein Bußgeld sowie eine Punkteeintragung im Fahreignungsregister. Die Sanktionen variieren, insbesondere wenn es dann noch zu einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer kommt.“
Der Pannenstreifen ist tabu
Den Seitenstreifen zum Überholen zu benutzen, ist ebenfalls keine gute Idee. Er ist für Pannenfahrzeuge vorgesehen und muss jederzeit frei bleiben. Außerdem können Motorräder, die auf dem Standstreifen fahren, zum Beispiel unmittelbar vor einer Unfallstelle, Staus verursachen und Rettungskräfte behindern.
Ist die Versuchung dennoch zu groß und das Verbot wird missachtet, drohen empfindliche Strafen: „Neben einem Bußgeld von 75 Euro müssen Motorradfahrer, die den Standstreifen zum schnelleren Vorwärtskommen nutzen, auch mit einem Punkt in Flensburg rechnen. Blockieren sie dabei zusätzlich Rettungsfahrzeuge oder gefährden andere Verkehrsteilnehmer, drohen weitere Strafen“, so Anwältin Leier.
Die Rettungsgasse ist kein Schlupfloch für Ungeduldige
Martinshorn im Ohr und Blaulicht im Rückspiegel – sowohl Pkw als auch Motorräder müssen Rettungskräften genug Platz lassen, damit sie zügig zu ihrem Einsatzort gelangen können. Das Nutzen der Rettungsgasse, um sich im Stau vorzudrängeln, ist laut Rechtsanwältin Leier alles andere als erlaubt:
„Fahren sie mit ihren Motorrädern trotzdem durch die Rettungsgasse, kostet sie das 240 Euro Strafe, zwei Punkte im Fahreignungsregister sowie einen Monat Fahrverbot. Im Wiederholungsfall erhöhen sich die Strafen. Kommt es beim Befahren der Rettungsgasse außerdem zu einem Unfall, kann auch der Streit mit der Versicherung sehr teuer werden. Bei einer Behinderung von Rettungskräften handelt es sich unter Umständen sogar um eine Straftat. In dem Fall droht laut § 323c Absatz 2Strafgesetzbuch (StGB) eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr.“
Schnell ein Beweisvideo aufnehmen?
Wer seinem Ärger Geltung verschaffen will, kommt schnell auf die Idee, das Smartphone zwecks Beweisaufnahme zu zücken und in Drohhaltung auf andere Verkehrsteilnehmer zu richten. Bei der Aufzeichnung von Verkehrsverstößen in Form von Video- oder Bildmaterial ist aber Vorsicht geboten.
Denn das Fotografieren oder Filmen anderer Personen ohne deren Einwilligung kann eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte, genauer des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, darstellen. Zudem ist die Benutzung von Mobiltelefonen, einschließlich der Kamerafunktion, während der Fahrt verboten:
„Wer während der Fahrt verbotswidrig ein Handy benutzt, riskiert eine Geldbuße in Höhe von 100 Euro und die Eintragung eines Punktes in das Flensburger Fahreignungsregister. Außerdem können zivilrechtliche Konsequenzen aufgrund möglicher Datenschutzverstöße anfallen. Es ist ratsam, im Zweifelsfall eher die Polizei zu informieren und den Verstoß zu melden, anstatt selbst Beweise zu sammeln“, rät Melanie Leier.
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Quelle: Geblitzt.de