Carolabrücke in Dresden über Nacht teileingestürzt, 60.000 kommunale Brücken desolat
Wird sie jemals wieder ganz stehen? Eigentlich fahren die Dresdner Straßenbahnlinien 3 und 7 auch in den frühen Morgenstunden regelmäßig über die Carolabrücke. Doch in der Nacht zu Mittwoch überquerte schon um 2.50 Uhr die letzte Straßenbahn die Elbbrücke. Und etwa zehn Minuten später brach ein 100 Meter langes Teilstück einfach in sich zusammen. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt. Aber die schlimmsten Befürchtungen über den Zustand der Infrastruktur in Deutschland sind mit dem Einsturz sichtbar geworden.
Sie haben es geahnt
Erst vor ein paar Monaten hatten die rund 4.000 Bundesbürger ab 16 Jahren im Rahmen einer Erhebung von HUK der Infrastruktur im Land ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Rund 63 Prozent der Befragten gaben an, dass der derzeitige Zustand des Verkehrsnetzes in Deutschland ein Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung sei. Vor allem das Schienennetz habe großen Pflege- und Modernisierungsbedarf.
Einfach zusammengeklappt
Vier Monate später zeigt sich auf eindrucksvoll-schaurige Weise, dass es sich hierbei nicht nur um eine gefühlte Wahrheit gehandelt hat. Ein hundert Meter langes Stück der Carolabrücke in Dresden ist mitten in der Nacht einfach zusammengeklappt. Und die Straßenbahnschienen, die nun ein Stockwerk tiefer auf der Wasseroberfläche schwimmen, haben ein trauriges Symbol für die desolaten Straßen, Schienen und Verkehrsnetze in der BRD geschaffen.
Der Einsturz hat den medialen Fokus auf den schlechten Zustand vieler vergleichbarer Bauwerke gelegt. Der Brückenexperte Martin Mertens erklärte etwa auf tagesschau.de, dass prinzipiell jede vor 1980 gebaute Brücke in Deutschland zu den „Problempatienten“ gehöre. Und wegen des Baubooms zu Zeiten von Marshall-Plan und Wirtschaftswunder machen diese den Großteil aus.
Da hilft auch kein Tempo 30 mehr
Sanierungsprobleme sind zudem immer wieder in die Zukunft vertagt worden. Mit Tempo-30-Begrenzungen versucht man vielerorts, die Spielräume der Brücken in puncto Belastbarkeit und Tragfähigkeit so weit es geht auszureizen. Bahnen bremsen an Brücken häufig ab, um sie so sanft wie möglich zu überqueren. Nun muss man sich fragen, ob die Carolabrücke jemals wieder vollständig stehen wird.
Die Politik müsse endlich handeln, es sei „fünf nach zwölf“, mahnt Mertens. Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Zentralverband Deutsches Baugewerbe sprechen von einem dringenden Handlungsbedarf und betonen, dass Deutschland von der Substanz lebe. Rund 60.000 kommunale Brücken in Deutschland sollen in keinem guten Zustand sein.
Der Schock aus Dresden ist jedenfalls schon nach Hamburg „übergeschwappt“: Die Nordelbbrücke über die Autobahn A1 ist ab sofort für Großraum- und Schwerlasttransporte gesperrt, weil auch dort Schäden am Tragwerk festgestellt wurden.
Wissing: „Gefährlich, nicht in Infrastruktur zu investieren“
Bundesverkehrsminister Volker Wissing von der FDP weist indes jede Verantwortung für das Elbbrücken-Desaster von sich. Der Einsturz liege in kommunaler Verantwortung und stehe daher nicht in Zusammenhang mit dem Bundeshaushalt.
Der Vorfall mit der Carolabrücke zeige, dass es gefährlich sei, nicht in die Infrastruktur zu investieren. Daher stelle man auch für kommendes Jahr neun Milliarden Euro für Bundesfernstraßen und Brücken bereit.
Für Wissing kommt das Elbbrücken-Fiasko zur Unzeit: Gerade erst hat man sich im Verlauf einer schwierigen Haushaltsdebatte dazu durchgerungen, 8 Milliarden Euro für die Sanierung des Schienennetzes locker zu machen, schon kommt der nächste Schlag beziehungsweise Einsturz.
Vermutete Ursachen: Korrosion und Mehrbelastung
Über den eingestürzten Teil der Carolabrücke führen neben den Gleisen auch ein Rad- und Fußgängerweg. Die Brücke galt schon vorher als Sanierungsfall, daher geht man nicht von einer Fremdeinwirkung aus. Es wird eher vermutet, dass Korrosion ein wesentlicher Faktor für den Einbruch war.
Darüber hinaus scheinen die Brücken nicht für den heutigen Güterverkehr ausgelegt zu sein. Denn die heutige Menge an Lkw-Fahrten konnte beim Bau nicht antizipiert werden.
Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer Bau NRW, erklärt diese Schwachstelle so: „Wenn Sie sich heute die Brücken angucken, haben sie einen Lkw nach dem nächsten und jeder Lkw bringt diese Brücke, wenn sie mal drauf sind, leicht ins Schwingen. Und das tut den Brücken weh, diese ewige dynamische Belastung durch die Lkw jeden Tag, mehrere tausend Mal.“
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Quellen: tagesschau.de, deutschlandfunk.de, focus.de