Weitere Geräte könnten betroffen sein
In Rostock sprach das Gericht eine Autofahrerin frei, weil die Blitzer-Säule einen Softwarefehler aufwies. Da kommt die Frage auf, ob es noch mehr solcher Fälle gibt. Was also genau steckt hinter dem Softwarefehler?
In dem Rostocker Fall bog die Fahrerin nach links ab, dabei sprang die Ampel um und die Frau wurde geblitzt. Ein Bußgeldgeldbescheid war die Folge. Die Frau legte Einspruch ein und war erfolgreich. Das Gericht stellte fest, dass in dem Blitzer eine fehlerhafte Software verbaut war, die für den Standort nicht geeignet war. In dem Messgerät war eine virtuelle Haltelinie hinterlegt, die nicht zu den tatsächlichen Linien auf der Straße passte.
Einem Artikel des Nordkurier.de zufolge hat der Verkehrsmesstechniker Gunar Miers bereits 2018 auf mögliche technische Mängel hingewiesen. Gegenüber Geblitzt.de bestätigt er dies. Demnach liegen dem Amtsgericht Rostock mehrere Gutachten diesbezüglich vor. Er habe die vermessungstechnischen Grundlagen sowie die Ungenauigkeiten aufgrund von deutschen Normen (DIN) dargelegt. Er hat angebracht, dass eine derartige Ungenauigkeit in Geschwindigkeits- beziehungsweise Rotlichtüberwachungsgeräten nicht Stand der Technik seien. Hinzugezogen wurde dann laut Miers ein Sachverständiger der Dekra Automobil GmbH aus Rostock. Dieser sah den Sachverhalt als nicht gegeben an. Daher entschied man sich für einen weiteren Sachverständigen der Dekra Automobil GmbH aus Berlin, der unabhängig von den beiden anderen Experten ein Gutachten erstellen sollte. Das Ergebnis ähnelte dem des Verkehrsmesstechnikers Gunar Miers. Auch hier wurden erhebliche Abweichungen festgestellt. Der Sachverständige aus Rostock sollte dieses Gutachten bewerten und spielte laut Miers die Sache herunter.
Im Jahr 2020 entschied das Amtsgericht Rostock, dass das Eichamt Rostock eine Nachmessung machen sollte. Dabei kamen weitere Unstimmigkeiten auf. Diese entdeckte ebenfalls Gunar Miers, als ihm die Dokumente gezeigt wurden. Der Rechtsanwalt der Betroffenen führte dies im Verfahren an. Daraufhin wurde vom Amtsgericht Rostock die Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB) eingeschalten.
Die PTB erklärte in einem Schreiben vom 20.02.21, dass das bei der Eichung verwendete Laser Referenztool (LRT-Tool) negative Winkel bei dieser speziellen Fahrbahnkonstellation nicht verarbeiten könne. Dieser Sachverhalt stelle aber kein Problem für die Verwertbarkeit der Überwachungsergebnisse dar, da das Ergebnis immer zu Gunsten des Betroffenen ausgelegt werde.
Der Verkehrsmesstechniker Miers sowie der Sachverständige aus Berlin kamen daraufhin zu dem Schluss, dass eine Eichung unter den gegebenen Voraussetzungen nicht positiv abzuschließen sei. Der positive Abschluss des Eichverfahrens ist allerdings Grundvoraussetzung, um ein Messgerät in Betrieb zu nehmen.
Auch der Sachverständige aus Rostock brachte nun in seinem Gutachten an, dass Unregelmäßigkeiten erkennbar sind. Diese hätten allerdings keinen negativen Einfluss auf die Messungen. In der späteren Verhandlung erklärte er gemeinsam mit dem Sachverständigen aus Berlin, dass unter diesen Voraussetzungen keine gültige Eichung vorliege. Es folgte der Freispruch für die Betroffene und die Anlage sollte abgeschaltet werden.
Laut Miers wird es allerdings noch weitere Verfahren in Rostock geben. Aus diesem Grund habe er die Messstelle noch einmal vermessen. Dem Ergebnis nach liege die Abweichung der virtuellen Haltelinie gegenüber der realen Haltelinie nicht nur bei 24 cm, sondern sogar bei fast 40 cm. Zudem gebe es weitere Messgeräte in Mecklenburg-Vorpommern, bei denen er Abweichungen feststellen konnte. Die Untersuchungen seien jedoch noch nicht abgeschlossen.
An diesem Fall wird sehr deutlich, dass es durchaus sinnvoll ist, seinen Bußgeldbescheid prüfen zu lassen. Denn Fehler in Bußgeldverfahren geschehen häufiger als so mancher denkt. Hätte die Betroffene sich nicht gewehrt, wäre die ganze Problematik um den Blitzer nie ans Licht gekommen.
Update 12. November 2021
Am 21.09.2021 wurde die Messstelle in beide Richtungen neu vermessen und vom Eichamt bezüglich des Fehlers geprüft. Anschließend wurde die Messstelle aus Richtung Fischereihafen kommend neu eingerichtet. Seit dem 1.10.2021 ist die Anlage daher wieder einsatzbereit. Auch Gunar Miers konnte bei einer nachträglichen Vermessung keinerlei Abweichungen feststellen.
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Quelle: Nordkurier.de