Monatelanger Knöllchen-Streit wegen einer Minute Zeitdifferenz
Obwohl sie ihr Parkticket per Smartphone-App gelöst hatte, flatterte einer Autofahrerin in Geldern ein Verwarngeldbescheid ins Haus. Der Vorwurf: Sie habe ihren Pkw ohne gültiges Ticket auf einem Parkplatz vor der Deutschen Bank abgestellt. Es folgte ein monatelanger Streit mit den analogen Behörden, der trotz der digitalen Unschuld der Betroffenen erst nach dem Einschalten der Lokalpresse und des Rathauses beendet werden konnte. Eine Parkticket-Posse.
„Einfach“ bezahlen?
„PARKE PER APP“, heißt die digitale Einladung auf den großen Stickern der Firma Easypark, die zumindest in Großstädten mittlerweile auf nahezu allen Parkautomaten zu finden sind. Der Anbieter wirbt mit einem einfachen und schnellen Bezahlprozess ohne Kleingeld und Automatensuche.
Ganz so „easy“ gestaltete sich das Begleichen des Parkobulus von Dr. Anne Franken-Ruhs aber nicht. Obwohl sie nachweislich am 30. Juli um 10.28 Uhr über die Park-App mit ihrem Handy ein Ticket gelöst hatte, stellten sich die Behörden quer und auf digitalen Durchzug.
Autofahrerin traute ihren Augen nicht
Als die Medizinerin im August einen Brief von der Stadt Geldern erhält, denkt sie zunächst, es könnte sich um ein Missverständnis handeln. 20 Euro Verwarngeld sollte sie zahlen, weil sie ihr Auto angeblich ohne gültiges Ticket vor einem Parkplatz der Deutschen Bank abgestellt hatte.
Auf den gesunden Menschenverstand der zuständigen Sachbearbeiter zählend, legte sie bei der Stadt schriftlichen Einspruch ein. Über den App-Verlauf ließen sich Ticket, Zahlung und Uhrzeit (10:28 Uhr) des Parkens nachweisen. Auffällig war, dass die Stadt das Knöllchen fast zeitgleich mit dem Einlösen des digitalen Tickets ausstellte (10:27 Uhr). Beide Vorgänge trennte somit nur eine Minute.
Stadt Geldern blieb hart
Doch der Strafzettel wurde nicht zurückgenommen. „Der Außendienst hat nur die Möglichkeit zu kontrollieren, ob im Moment der Kennzeichenabfrage eine Buchung vorliegt oder nicht. Liegt keine Buchung vor und niemand steht am Parkscheinautomaten, wird die Verwarnung ausgestellt“, erklärte die Stadt in ihrem Antwortschreiben.
Franken-Ruhs entschied sich, die Strafe für diese eine Minute nicht zu begleichen. Daraufhin erhielt sie im September einen weiteren Bescheid, da die Verwarnung nicht angenommen worden war. Anstelle von 20 Euro sollte sie nun 48,50 Euro zahlen.
„Nun einmal zu spät“
Franken-Ruhs legte erneut schriftlich Widerspruch ein. „Die Easy-Park-App besaß ich zu der Zeit seit einer Woche und war mit dieser noch nicht komplett vertraut“, schrieb sie an die Behörden. Sie sei erst zu einem Termin bei der Deutschen Bank gegangen und habe dort sofort das Ticket mit der App gelöst, müsse exakt in dieser kurzen Zwischenzeit das Knöllchen bekommen haben.
„Der Weg sollte mir kulanterweise zugestanden werden. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass wir hier von einer Minute reden“, forderte sie. Doch wieder blieb die Stadt hart. Das sei nun einmal zu spät gewesen.
Stadt drohte sogar mit Mahnverfahren
„Die Buchung hat beim Verlassen des Fahrzeugs zu erfolgen, spätestens jedoch am Parkscheinautomaten, wenn man sich erst noch informieren muss“, so die Bußgeldbehörde. Man habe das Vorgehen auch intern mit der nächsthöheren Instanz abgestimmt.
Zwischenzeitlich drohte man Anne Franken-Ruhs sogar mit einem gerichtlichen Mahnverfahren. Mitte Oktober unternahm sie einen letzten Klärungsversuch und wandte sich schriftlich direkt an den Bürgermeister und an die Rheinische Post. „Mir geht es dabei gar nicht um das Geld, mich stört, wie kleinlich die Stadt hier vorgeht“, legte sie dar.
Fürs digitale Zahlen bestraft
Für ihre Argumente fand man keinerlei Verständnis oder Entgegenkommen; ein Gespräch mit der zuständigen Sachbearbeiterin verlief hitzig. Außerdem verdeutliche ihr Fall das fehlende Verständnis der Stadt hinsichtlich der Digitalisierung. Sie setze bereits eine neue Technologie ein, aber es werde nicht einmal eine kurze Kulanzzeit eingeräumt.
Erst nachdem die Redaktion der Rheinischen Post selbst nachhakte, wieso die Stadt Geldern trotz des offensichtlichen Zahlungswillens der Ärztin so kleinlich reagierte, wurde die Verwarnung zurückgezogen. Zudem sei eine entsprechende Information über die Nutzung der Parkplatz-App erstellt worden.
Vorwürfe nicht einfach in Kauf nehmen
Franken-Ruhs sei damals bedauerlicherweise nicht mehr in der Nähe ihres Fahrzeugs angetroffen worden, andernfalls hätte der Mitarbeiter sie zunächst direkt angesprochen, bevor eine Verwarnung ausgestellt wurde.
Aber warum haben die Behörden ihre beharrliche Kleinlichkeit erst abgelegt, nachdem die Presse eingeschaltet wurde? Der Fall zeigt deutlich, wie wichtig es ist, Vorwürfe dieser Art nicht einfach hinzunehmen. Und solange die Digitalisierung in den deutschen Behörden noch nicht angekommen ist, hilft nur das Drücken der Brötchentaste.
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Quelle: rp-online.de