Wie aus der Rücknahme des Verbrenner-Stopps die Rücknahme einer Umfrage wurde
Der Schuss ging nach hinten los: Die CDU wollte mit einer nicht repräsentativen Abstimmung im Netz die Haltung der Deutschen zum Verbrenner-Aus abfragen und ihren Wahlkampf befeuern. Wider Erwarten votierte eine klare Mehrheit aber gegen eine Rücknahme des geplanten Endes der Neuzulassungen für fossil betriebene Kfz. Nun behauptet die CDU, die Erhebung sei manipuliert worden. Allerdings könnte es auch sein, dass die Deutschen bei der Verkehrswende gespaltener sind, als viele annehmen.
Der Verbrennungsmotor steckt mitten im Wahlkampf
Das Ende der Neuzulassungen von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor ab dem Jahr 2035 gerät immer mehr ins Wanken. Zuletzt hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betont, dass die Pläne 2026 erneut überprüft werden sollen. Dies sei bei der Einigung bereits vorgesehen worden. Markus Söder von der CSU hat sich gar vollends für eine Abkehr vom Verbrenner-Ende ausgesprochen.
Auch der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz will kein Enddatum für Fahrzeuge, die mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden: „Wir dürfen uns nicht anmaßen, heute politisch zu entscheiden, welche Technologien in 10, 15 oder 20 Jahren die richtigen Technologien sind, damit wir unseren Wohlstand erhalten und damit wir das Klima angemessen schützen.“
Mit einer passenden Umfrage wollte die Union ihre skeptische Haltung zum Verbrenner-Aus zementieren und zum Top-Wahlkampfthema machen.
„Unterstützen Sie die Forderung zur Rücknahme des Verbrenner-Verbots?“
So lautete die Gretchenfrage der nicht repräsentativen Erhebung, mit der die Christdemokraten ihre Positionierung im Wahlkampf untermauern und sich die Unterstützung ihrer Anhänger sichern wollten.
Allerdings zeichnete sich mit steigender Teilnehmerzahl ein anderes Meinungsbild ab als erwartet: Mehr als zwei Drittel votierten auf cdu.de gegen eine Rücknahme des „Verbrenner-Verbotes“. Von den 170.000 am Tag nach der Veröffentlichung abgegebenen Stimmen entfielen lediglich 14 Prozent auf die Position der Unionsparteien. Wenig später wurde die Abstimmung auf der Homepage der Christdemokraten dann deaktiviert.
Union spricht von Manipulation der Umfrage
Als Begründung für das Entfernen der Umfrage gab die CDU an, dass zehntausende Stimmen automatisiert abgegeben worden seien. Generalsekretär Carsten Linnemann erklärte der Bild am Sonntag: „Es ist traurig, wie hier mit krimineller Energie manipuliert wird.“
Allerdings wies die Abstimmung auch keinerlei Hürden für das Abgeben massenhafter Stimmen auf, was einige Beobachter verwunderte. Das Kapern von Online-Umfragen ist kein „Neuland“. Zudem hätte die Erhebung auch ohne Mehrfachabstimmung keine repräsentativen Ergebnisse, sondern maximal einen Trend nachzeichnen können.
Empiriker sprechen hier von dem bekannten Problem der Selbstselektivität, das bei solchen passiven Auswahlverfahren auftrete. Bereits 2002 machte die FDP eine ähnlich schmerzliche Erfahrung mit einer Umfrage zur Ökosteuer, deren Ergebnis nicht in das erhoffte Bild der Liberalen passte und daraufhin wortlos verschwand.
Sind die Deutschen beim Verbrenner gespalten?
In einem Kommentar auf auto-motor-sport.de weist der Autor darauf hin, dass bereits die Fragestellung auf cdu.de irreführend gewesen sei. Es gebe ab 2035 weder ein Verbot von Verbrennungsmotoren noch eine Pflicht, auf Elektroautos umzusteigen. Denn das Gesetz betreffe lediglich neu zugelassene Fahrzeuge. Dass offene Umfragen manipuliert werden können, sei zudem mittlerweile allen Nutzern klar. Wieder einmal sei die CDU in der digitalen Welt gescheitert und auch ihrer Zielsetzung nicht gerecht geworden, ihre Positionierung mit der Abstimmung zu unterfüttern.
Das sieht Christoph Schleifer, Managing Director bei der Campaigning Software GmbH, anders. Die Firma hat die Umfrage laut bild.de für die Christdemokraten umgesetzt. Laut Schleifer sei die Umfrage massiv manipuliert worden: „Wir haben deshalb der CDU empfohlen, die Abstimmung abzubrechen. Ich habe so etwas bei einer solchen Abstimmung in unseren Systemen noch nie erlebt.“
Unabhängig davon, wie sehr und ob das Votum im Netz manipuliert wurde – eine wichtige Erkenntnis des Umfrage-Chaos könnte lauten, dass die Deutschen beim Verbrenner-Aus gespaltener sind, als viele annehmen. Offensichtlich ging die Union davon aus, dass es leichter sein würde, genügend Anhänger fossiler Antriebsarten oder Elektro-Skeptiker im Netz um sich zu scharen. Und so wurde aus einer Rücknahme des Verbots die Rücknahme einer Umfrage.
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Quellen: autobild.de, auto-motor-und-sport.de, bild.de