Die paradoxe Begründung: Zu wenig km/h auf dem Tacho
Eigentlich ein klarer Fall: Wenn Rettungskräfte die zulässige Höchstgeschwindigkeit aufgrund eines medizinischen Notfalls überschreiten, sollten sie nicht dafür belangt werden. Das sah eine Behörde im Ennepe-Ruhr-Kreis aber anders und beharrte auf dem Bußgeld für eine Ärztin im Noteinsatz. Die Begründung kann man sich nicht ausdenken: Die Medizinerin sei mit 8 km/h nicht schnell genug gewesen.
Ärztin muss zur Notfallpatientin
Die Notärztin in Witten war von Palliativmediziner Matthias Töns rasch losgeschickt worden, um eine Lungentumor-Patientin mit akuter Atemnot zu versorgen. Doch auf dem Weg zu dem zeitkritischen Einsatz, bei dem es um Leben und Tod ging, wurde sie in einer 30er-Zone geblitzt.
Thöns legte sofort Einspruch ein und verwies auf den rechtfertigenden Notstand. Doch die Behörde blieb hart – mit einer Argumentation, die an Absurdität kaum zu übertreffen ist, wie das ARD-Satiremagazin „Extra 3“ berichtet.
Behörde pocht auf Bußgeld
Denn trotz einer eigentlich klaren Rechtslage entschied man sich im Ennepe-Ruhr-Kreis dazu, auf einer ganz eigenen Auslegung der Gesetze zu beharren. Die Ärztin sollte trotz der offensichtlichen Inanspruchnahme ihres Sonderrechts als Rettungskraft dennoch das Bußgeld in Höhe von 30 Euro zahlen.
Das Argument: Sie sei mit den von der Behörde gemessenen 8 km/h Überschreitung nicht schnell genug gewesen und mit einer solchen Geschwindigkeit hätte ohnehin kein spürbarer Zeitgewinn erzielt werden können. In den Augen der Beamten handele es sich daher nicht um einen Notfall.
Wie ist die Rechtslage bei Rettungseinsätzen?
Doch wie sieht die Rechtslage konkret aus? Grundsätzlich darf medizinisches Personal in Notfällen die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreiten, um Leben zu retten. Dies ist in § 35 der Straßenverkehrsordnung (StVO) geregelt. Es handelt sich hierbei um ein Sonderrecht, das nur für Rettungs- und Einsatzkräfte gilt.
In Absatz 5a heißt es konkret: „Fahrzeuge des Rettungsdienstes sind von den Vorschriften dieser Verordnung befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden.“
Allerdings müssen nach einem wichtigen Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf aus dem Jahr 1991 auch Polizei, Feuerwehr und Krankenwagen bei jeder (eiligen) Fahrt § 1 StVO im Hinterkopf haben: „Auch Rettungskräfte müssen darauf achten, dass bei der Einsatzfahrt keine anderen Verkehrsteilnehmer zu Schaden kommen.“
Mediziner ist sprachlos
Im Fall der Lungenpatientin ging es darum, wegen akuter Atemnot gesundheitliche Schäden oder gar den Tod abzuwenden. Das Abbremsen in einer Tempo-30-Zone kann als Vorsichtsmaßnahme verstanden werden, um andere nicht zu gefährden. Wohl auch deshalb kann sich der Palliativmediziner Thöns die Verbissenheit der Behörden nicht erklären.
„Ich bin sprachlos“, so Thöns. „Offenbar hätten wir noch schneller fahren sollen, um den Notfall als solchen anerkannt zu bekommen.“ Doch genau das sei heikel: „Wir wollen ja niemanden gefährden, selbst im Notfall.“
Der Arzt stellt klar, dass es ihm nicht um die 30 Euro geht, sondern ums Prinzip: „Wie lange soll denn ein Mensch Erstickungsnot aushalten“, fragt sich Matthias Thöns, „Da reichen doch Sekunden.“
Im Ennepe-Ruhr-Kreis gibt man trotzdem nicht nach. „Nach aktuellem Stand sind keinerlei Gründe ersichtlich, warum das Verwarngeld nicht gezahlt werden müsste“, heißt es auf Nachfrage der ARD. Ein Stich ins Herz des Mediziners Thöns: „Das ist absurd. Das macht mich sprachlos.“
Bußgeldvorwürfe stets über Geblitzt.de prüfen lassen
Bei Geblitzt.de arbeitet die CODUKA GmbH eng mit großen Anwaltskanzleien zusammen und ermöglicht es Betroffenen, sich gegen Bußgelder, Punkte und Fahrverbote zu wehren.
Rechtsschutzversicherungen übernehmen die Kosten eines vollständigen Leistungsspektrums unserer Partnerkanzleien. Ohne eine vorhandene Rechtsschutzversicherung übernimmt die CODUKA GmbH als Prozessfinanzierer die Kosten der Prüfung der Bußgeldvorwürfe und auch die Selbstbeteiligung Ihrer Rechtsschutzversicherung.
Täglich erreicht das Geblitzt.de-Team eine Flut von Anfragen. 12 % der betreuten Fälle werden eingestellt, bei weiteren 35 % besteht die Möglichkeit einer Strafreduzierung.
Quelle: derwesten.de