Cannabis und Autofahren – geht das nun zusammen?
„Grünes“ Gedankenexperiment: Man stelle sich den Besuch eines Freundes vor, der seit der Teillegalisierung im April Hanf angebaut hat. Gemeinsam wird die erste Ernte im Juli probiert. Einen Tag später setzt man sich völlig nüchtern ins Auto und gerät in eine der derzeit verstärkt stattfindenden Polizeikontrollen. Drohen hier auch nach Inkrafttreten des neuen THC-Grenzwertes Fahrerlaubnisentzug und MPU?
Bundesrat billigt Änderung des Straßenverkehrsgesetzes
Der Bundesrat hat in der vergangenen Woche der vom Bundestag beschlossenen Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) zugestimmt. Die Novelle sieht in § 24a einen neuen THC-Grenzwert im Straßenverkehr in Höhe von 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum vor.
Die Bundesregierung hat sich dabei nach eigenen Angaben an den Empfehlungen einer interdisziplinären Expertengruppe orientiert. Diese geht davon aus, dass mit dem neuen 3,5-Nanogramm-Grenzwert eine Verschlechterung der Verkehrssicherheit nahezu ausgeschlossen werden kann. Zudem sei der Rausch mit der Wirkung von 0,2 Promille Alkohol vergleichbar.
Wer den neuen Grenzwert überschreitet, wird in der Regel mit 500 Euro Bußgeld sowie einem Monat Fahrverbot rechnen müssen. Bei Mischkonsum mit Alkohol erhöht sich die Strafe auf 1.000 Euro, im Wiederholungsfall sogar auf 3.500 Euro. Fahranfänger und unter 21-jährige sind von dem neuen Grenzwert ausgenommen – sie müssen weiterhin vollkommen abstinent bleiben, um ihren Führerschein nicht zu gefährden.
Diese Änderungen treten aber laut lto.de erst mit Verkündung des Gesetzes im Laufe des Sommers in Kraft. Bleibt bis dahin die Null-Toleranz-Politik für Cannabis im Straßenverkehr bestehen?
Mit Gras im Taxi erwischt
Bis Ende März dieses Jahres reichte der bloße Nachweis eines einzigen Nanogramms Tetrahydrocannabinols pro Milliliter im Blutserum aus, um ernsthafte Probleme mit dem Führerschein zu bekommen. Es drohten fachärztliche Pflichtgutachten oder eine kostspielige Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU).
Dafür war es nicht einmal nötig, am Steuer zu sitzen. Das zeigt ein auf zeit.de geschilderter Fall: Eine nüchterne Festivalbesucherin, die mit Gras im Taxi anreiste und kontrolliert wurde, musste der Führerscheinbehörde in Gießen innerhalb von vierzehn Tagen danach ein Drogenscreening vorlegen. Andernfalls sollte ihr die Fahrerlaubnis mit sofortiger Wirkung entzogen werden. Ein Widerspruch war nicht möglich.
Änderung der Fahrerlaubnisverordnung
Dieser Praxis ist bereits mit Inkrafttreten des Cannabisgesetzes (CanG) im April ein Ende gesetzt worden. Mit dem neuen Paragrafen 13a Fahrerlaubnisverordnung (Fev) können Führerscheinstellen nicht mehr bei dem kleinsten Nachweis von Besitz oder Konsum ein fachärztliches Gutachten oder eine MPU anordnen. Dazu muss nun nachgewiesen werden, dass eine Suchterkrankung oder Missbrauch vorliegt, oder es muss sich um einen Cannabis-Wiederholungstäter handeln.
„An den Grenzwert rankiffen“
Die Null-Toleranz-Politik ist daher schon Anfang April auch für Autofahrer beendet worden. Der neue Grenzwert soll ab Sommer zusätzlich dafür sorgen, dass jenseits von Kleinstmengen auch Gelegenheitskonsumenten nicht mehr drakonisch bestraft werden.
Dennoch hat der Landesratsvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Hessen, Jens Mohrherr, Autofahrern kürzlich geraten, sich nicht an den neuen Grenzwert „ranzukiffen“ und vollends auf den Konsum zu verzichten. Aber ist das überhaupt realistisch?
Der Selbstversuch: Wie schnell baut sich THC im Körper ab?
Zwei Reporter von Y-Kollektiv, der eine regelmäßiger, der andere gelegentlicher Cannabiskonsument, wollten es genau wissen. Um die Folgen des Konsums auf die eigenen THC-Werte nachvollziehen zu können, ließen sie sich am Abend des Testkonsums und am Tag danach von einem auf Cannabis spezialisierten Arzt überwachen. Das Ergebnis: Der Gelegenheitskonsument hatte am nächsten Tag kein messbares, aktives THC mehr im Blut. Der Dauerkonsument aber noch ganze 5,5 Nanogramm und damit mehr, als der neue Grenzwert es erlauben wird.
Fazit
Pflichtgutachten oder MPU können bereits seit ein paar Monaten nicht mehr willkürlich und ohne Zusammenhang mit dem Straßenverkehr angeordnet werden – die Null-Toleranz-Politik ist damit bereits teilweise eingestampft worden.
Für Gelegenheitskonsumenten ist der neue Grenzwert im Sommer ebenfalls eine gute Nachricht: Sie werden dann nicht mehr in ständiger Angst leben müssen, den Führerschein zu verlieren. Allerdings sollten sie sich bis zum effektiven Inkrafttreten gedulden, da bis dahin die alte 1-Nanogramm-Regel gilt.
Für regelmäßige Bubatzliebhaber hingegen bleibt alles beim Alten – sie sollten das Auto lieber stehen lassen, wenn sie ihren „Lappen“ behalten und keine teure MPU durchlaufen wollen.
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Quelle: gesetze-im-internet.de, br.de, lto.de, adac.de, zeit.de