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Die paradoxe Begründung: Zu wenig km/h auf dem Tacho

Eigentlich ein klarer Fall: Wenn Rettungs­kräfte die zulässige Höchst­ge­schwin­digkeit aufgrund eines medizi­ni­schen Notfalls überschreiten, sollten sie nicht dafür belangt werden. Das sah eine Behörde im Ennepe-Ruhr-Kreis aber anders und beharrte auf dem Bußgeld für eine Ärztin im Noteinsatz. Die Begründung kann man sich nicht ausdenken: Die Medizi­nerin sei mit 8 km/h nicht schnell genug gewesen.

Trotz Notfall: Ärztin soll Bußgeld wegen zu schnellen Fahrens zahlen
Dragana Gordic / shutterstock.com

Ärztin muss zur Notfallpatientin

Die Notärztin in Witten war von Pallia­tiv­me­di­ziner Matthias Töns rasch losge­schickt worden, um eine Lungentumor-Patientin mit akuter Atemnot zu versorgen. Doch auf dem Weg zu dem zeitkri­ti­schen Einsatz, bei dem es um Leben und Tod ging, wurde sie in einer 30er-Zone geblitzt.

Thöns legte sofort Einspruch ein und verwies auf den recht­fer­ti­genden Notstand. Doch die Behörde blieb hart – mit einer Argumen­tation, die an Absur­dität kaum zu übertreffen ist, wie das ARD-Satiremagazin „Extra 3“ berichtet.

Behörde pocht auf Bußgeld

Denn trotz einer eigentlich klaren Rechtslage entschied man sich im Ennepe-Ruhr-Kreis dazu, auf einer ganz eigenen Auslegung der Gesetze zu beharren. Die Ärztin sollte trotz der offen­sicht­lichen Inanspruch­nahme ihres Sonder­rechts als Rettungs­kraft dennoch das Bußgeld in Höhe von 30 Euro zahlen.

Das Argument: Sie sei mit den von der Behörde gemes­senen 8 km/h Überschreitung nicht schnell genug gewesen und mit einer solchen Geschwin­digkeit hätte ohnehin kein spürbarer Zeitgewinn erzielt werden können. In den Augen der Beamten handele es sich daher nicht um einen Notfall.

Wie ist die Rechtslage bei Rettungseinsätzen?

Doch wie sieht die Rechtslage konkret aus? Grund­sätzlich darf medizi­ni­sches Personal in Notfällen die zulässige Höchst­ge­schwin­digkeit überschreiten, um Leben zu retten. Dies ist in § 35 der Straßen­ver­kehrs­ordnung (StVO) geregelt. Es handelt sich hierbei um ein Sonder­recht, das nur für Rettungs- und Einsatz­kräfte gilt.

In Absatz 5a heißt es konkret: „Fahrzeuge des Rettungs­dienstes sind von den Vorschriften dieser Verordnung befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschen­leben zu retten oder schwere gesund­heit­liche Schäden abzuwenden.“

Aller­dings müssen nach einem wichtigen Urteil des Oberlan­des­ge­richts Düsseldorf aus dem Jahr 1991 auch Polizei, Feuerwehr und Kranken­wagen bei jeder (eiligen) Fahrt § 1 StVO im Hinterkopf haben: „Auch Rettungs­kräfte müssen darauf achten, dass bei der Einsatz­fahrt keine anderen Verkehrs­teil­nehmer zu Schaden kommen.“

Mediziner ist sprachlos

Im Fall der Lungen­pa­ti­entin ging es darum, wegen akuter Atemnot gesund­heit­liche Schäden oder gar den Tod abzuwenden. Das Abbremsen in einer Tempo-30-Zone kann als Vorsichts­maß­nahme verstanden werden, um andere nicht zu gefährden. Wohl auch deshalb kann sich der Pallia­tiv­me­di­ziner Thöns die Verbis­senheit der Behörden nicht erklären.

„Ich bin sprachlos“, so Thöns. „Offenbar hätten wir noch schneller fahren sollen, um den Notfall als solchen anerkannt zu bekommen.“ Doch genau das sei heikel: „Wir wollen ja niemanden gefährden, selbst im Notfall.“

Der Arzt stellt klar, dass es ihm nicht um die 30 Euro geht, sondern ums Prinzip: „Wie lange soll denn ein Mensch Ersti­ckungsnot aushalten“, fragt sich Matthias Thöns, „Da reichen doch Sekunden.“

Im Ennepe-Ruhr-Kreis gibt man trotzdem nicht nach. „Nach aktuellem Stand sind keinerlei Gründe ersichtlich, warum das Verwarngeld nicht gezahlt werden müsste“, heißt es auf Nachfrage der ARD. Ein Stich ins Herz des Mediziners Thöns: „Das ist absurd. Das macht mich sprachlos.“

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Quelle: derwesten.de