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Halter­haftung, Anschnall­pflicht oder Wasch­stra­ßen­schäden: Das sagen die Gerichte

Bei Parkver­stößen haften Fahrzeug­halter nur, wenn ihnen ein Verschulden nachge­wiesen werden kann. Wer sich nicht anschnallt, riskiert bei einem Unfall eine Mithaftung, und Wasch­an­la­gen­be­treiber haften für Schäden an serien­mä­ßigen Fahrzeug­teilen. Das sind drei der fünf wichtigsten Urteile im Verkehrs­recht des Jahres 2024. Welche weiteren Gerichts­ent­schei­dungen in diesem Jahr für Autofahrer relevant waren, verrät Melanie Leier, Anwältin für Verkehrs­recht und Partner­an­wältin von Geblitzt.de.

Urteile im Straßenverkehr 2024
Jo Panuwat D / shutterstock.com

1. Halter­haftung bei Parkver­stößen (2 BvR 1457/23)

Ein Fahrzeug­halter sollte für die Überschreitung der Parkzeit ein Bußgeld von 30 Euro zahlen. In Deutschland gilt jedoch auch bei Parkver­stößen die Fahrer­haftung. Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt stellte klar: Ein Parkverstoß muss eindeutig nachge­wiesen werden – zum Beispiel durch Zeugen­aus­sagen, die belegen, dass der Halter tatsächlich gefahren ist.

Im vorlie­genden Fall gab es nur ein Foto des geparkten Autos, aber keinen Beweis, dass der Halter den Verstoß begangen hat. „Wer glaubt, es lohnt sich, nun als Halter generell den Parkverstoß zu leugnen, irrt. Denn erfordert die Ermittlung einen unange­mes­senen Aufwand, werden laut § 25a Abs. 1 des StVG dem Halter oder seinem Beauf­tragten die Kosten des Verfahrens auferlegt. Das ist nicht immer günstiger als die Geldbußen für Parkver­stöße“, so Anwältin Leier.

2. Freispruch dank neuer THC-Grenzwerte (2 ORbs 95/24)

Tatsächlich weniger zahlen musste hingegen ein Autofahrer aus Leer. Der 40-jährige Mann hatte einen THC-Wert von 1,3 ng/ml im Blut, als er mit seinem Auto unterwegs war. Gegen das Urteil des Amtsge­richts (AG) Papenburg vom Februar 2024, das eine Geldbuße von 1.000 Euro und ein dreimo­na­tiges Fahrverbot verhängt hatte, legte der Fahrer Rechts­be­schwerde ein – und zwar mit Erfolg.

Hinter­grund des Freispruchs ist die Änderung des Straßen­ver­kehrs­ge­setzes vom August 2024 im Rahmen der Entkri­mi­na­li­sierung von Cannabis, durch die der Grenzwert für das Fahren unter Einfluss von THC von 1,0 ng/ml auf 3,5 ng/ml angehoben wurde.

Melanie Leier erklärt: „Da das Oberlan­des­ge­richt (OLG) den Fall erst nach der Geset­zes­än­derung entschied, galt es den neuen Grenzwert zu berück­sich­tigen. Das Urteil des AG wurde aufge­hoben und der Betroffene freigesprochen.“

3. Nicht angegurtete Insassen haften mit (3 U 81/23)

Im September 2018 ereignete sich auf der Landstraße 121 in Höhe der Überführung der Bundes­au­tobahn 560 in Sankt Augustin-Buisdorf ein schwerer Verkehrs­unfall. Der Unfall­ver­ur­sacher war mit 1,76 Promille stark alkoho­li­siert und mit 150 bis 160 km/h statt der erlaubten 70 km/h deutlich zu schnell unterwegs. Seine Haftpflicht­ver­si­cherung verklagte eine Mitfah­rerin im anderen Fahrzeug, weil diese nicht angeschnallt gewesen sei und dadurch die Verlet­zungen der Beifah­rerin beim Aufprall mitver­ur­sacht habe.

„Das OLG Köln entschied, dass in diesem Fall ein Verstoß gegen die Gurtpflicht (§ 21a Abs. 1 der StVO) aufgrund des rücksichts­losen und straf­wür­digen Verhaltens des Unfall­ver­ur­sa­chers zurück­tritt. Dennoch gilt grund­sätzlich: Wer sich nicht anschnallt und dadurch Mitin­sassen verletzt, kann aufgrund der geregelten Gurtpflicht, eine Norm, die Mitfahrer schützen soll, haftbar gemacht werden“, erklärt Rechts­expertin Leier.

4. Wasch­an­la­gen­be­treiber haften bei Fahrzeug­schäden (VII ZR 39/24)

Eine weitere Haftungs­frage drehte sich hingegen um Schäden, die beim Befahren einer Wasch­straße entstehen können. In dem konkreten Fall wurde der serien­mäßig angebrachte Heckspoiler eines Gelän­de­fahr­zeugs abgerissen.

Der SUV-Fahrer verklagte deshalb den Betreiber der Wasch­anlage auf Schadens­ersatz in Höhe von rund 3.300 Euro. Der Beklagte sah sich jedoch im Recht, da vor Ort ein schrift­licher Hinweis angebracht war, wonach der Betreiber keine Haftung für Schäden durch Anbau­teile und Heckspoiler übernimmt.

„Nach unter­schied­lichen Urteilen des AG und LG entschied der Bundes­ge­richtshof schließlich zugunsten des Klägers. Der Hinweis des Betreibers auf die Haftungs­aus­schlüsse hat in diesem Fall keine Wirkung, da serien­mäßige Anbau­teile von Fahrzeugen zum bestim­mungs­ge­mäßen Gebrauch gehören und die Wasch­anlage entspre­chend ausgelegt sein muss.

Entspre­chend haftet der Betreiber und nicht der Kunde für Schäden. Wichtig: Für nachträglich angebrachte, nicht serien­mäßige Fahrzeug­teile kann ein Haftungs­aus­schluss hingegen unter Umständen wirksam sein, wenn dieser deutlich und für den Kunden verständlich kommu­ni­ziert wurde“, so Rechts­an­wältin Leier.

5. Rechts vor links gilt nicht bei abgesenktem Bordstein (17 O 158/22)

In Bad Oldesloe bog eine Autofah­rerin von einem P+R-Platz nach rechts auf eine Straße ab. Dabei kam es zu einer Kollision mit einem anderen Pkw, dessen Fahrer Schadens­ersatz verlangte. Die Beklagte argumen­tierte hingegen, dass die Straße Teil des Parkplatz­ge­ländes sei und sie von rechts kommend Vorfahrt gehabt habe.

„Das LG entschied jedoch zugunsten des Klägers. Denn die Beklagte fuhr über einen abgesenkten Bordstein auf eine öffent­liche, vom Parkplatz getrennte Fahrbahn und hätte nach § 10 StVO Vorfahrt gewähren müssen“, erklärt Anwältin Leier.

Weitere wichtige Verkehrs­rechts­ur­teile in 2024

Jenseits der Top 5 sind diesem Jahr noch viele weitere spannende Urteile gefallen. So darf beispiels­weise eine Fahrten­buch­auflage nur erteilt werden, wenn die Behörde alle angemes­senen und zumut­baren Maßnahmen unter­nimmt, um den Fahrzeug­führer zu ermitteln. Dazu zählt laut Urteil (37 K 11/23) auch eine Google-Recherche – die fehlende Bereit­schaft der Halter, bei der Täter­er­mittlung mitzu­helfen, reicht hingegen nicht aus.

Ein weiteres Urteil besagt: Wird die Nutzung des Gehwegs vor dem eigenen Grund­stück durch parkende Fahrzeuge massiv einge­schränkt, haben Anwohner das Recht, die Straßen­ver­kehrs­be­hörde zum Handeln aufzu­fordern (3 C 5.23).

Außerdem: Wer aus religiösen Gründen einen Gesichts­schleier (Niqab) trägt, ist nicht vom Verhül­lungs­verbot im Straßen­verkehr (§ 23 Abs. 4 StVO) befreit (7 A 10660/23.OVG). Und missachten Fahrrad­fahrer die Vorfahrt, kann ihnen bei einem Unfall mit einem Auto die alleinige Haftung auferlegt werden (6 O 8/22).

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