Es ist ein heftiger Skandal: In Herne wurden mehr als 100 unschuldige Autofahrer geblitzt. Denn die Polizei ist auf ein falsches Tempo-30-Schild hereingefallen. Die Kosten müssen die unwissenden Fahrzeugführer trotzdem tragen. Wie es dazu kam, erfahren Sie hier.
Tempo 30 anstelle von 50
Eigentlich ist das Aufstellen von Verkehrszeichen eine hoheitliche Aufgabe, der in der Regel nur die Straßenverkehrsbehörden nachgehen dürfen. Unbekannte wollten allerdings mutmaßlich auch zur Verkehrssicherheit beitragen. Kurzerhand brachten die Übeltäter an der Wiedehopfstraße in Herne – wo eigentlich auf 50 km/h beschleunigt werden darf – ein Tempo-30-Schild an. Das falsche Zeichen war wohl so überzeugend, dass sogar die Polizei darauf hereinfiel. Als die Ordnungshüter daraufhin eine Geschwindigkeitskontrolle durchführten, tappten 104 Autofahrer in die Radarfalle.
Ein teurer Spaß
Das Ergebnis der Kontrolle: 73 Fahrzeugführer erhielten ein Verwarnungsgeld, 31 bekamen teils sehr hohe Bußgelder und sechs vermeintlichen Rasern wurde sogar ein Fahrverbot auferlegt. Beinahe alle Betroffenen zahlten die Geldstrafen. Dabei sieht der Bußgeldkatalog für Fahrer mit Bleifuß innerorts drastische Sanktionen vor:
Neuer Bußgeldkatalog | |||
Verstoß | Regelsatz | Punkt(e) | Fahrverbot |
Bis 10 km/h | 30 € | - | - |
11 - 15 km/h | 50 € | - | - |
16 -20 km/h | 70 € | - | - |
21 - 25 km/h | 115 € | 1 Punkt | - |
26 - 30 km/h | 180 € | 1 Punkt | (1 Monat)* |
31 - 40 km/h | 260 € | 2 Punkte | 1 Monat |
41 - 50 km/h | 400 € | 2 Punkte | 1 Monat |
51 - 60 km/h | 560 € | 2 Punkte | 2 Monate |
61 - 70 km/h | 700 € | 2 Punkte | 3 Monate |
über 70 km/h | 800 € | 2 Punkte | 3 Monate |
Hinweis: * Sollte man zweimal innerhalb eines Jahres mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 26 km/h oder schneller geblitzt werden, kann es ein Fahrverbot geben. |
Wieso sich die Polizei um die Nase herumführen ließ
Aber wie kam es dazu, dass die hoheitlichen Männer in Blau auf das Fake-Schild hereingefallen sind und dementsprechend ihre Messgeräte auf 30 km/h einstellten anstelle von 50 km/h? Ein Polizeisprecher erklärte gegenüber wa.de: „Für die Beamten gab es dabei keine Zweifel an der Richtigkeit des Tempo-30-Schilds.“
Jedoch sind in der Regel alle gültigen Höchstgeschwindigkeiten genaustens dokumentiert und die entsprechenden Unterlagen stehen der Polizei zur Verfügung. Einen Abgleich fanden sie allerdings nicht für notwendig und vertrauten fälschlicherweise auf die entsprechende Beschilderung. Ein fataler Fehler, dessen Folgen die Unschuldigen tragen müssen.
Jan Ginhold, Betreiber von Geblitzt.de appelliert an Betroffene von Ordnungswidrigkeitsanzeigen: „Jeder Bußgeldbescheid sollte überprüft werden. Der amtliche Beschilderungsplan ist Teil der Bußgeldakte. Jeder Anwalt hätte das sehen können.“ Und: „Die Prüfung der Bußgeldakte ist bei Geblitzt.de nicht einmal mit eigenen Kosten verbunden.“
Keine Rückerstattung für Betroffene
Die Betroffenen dürfen sich mittlerweile keine Hoffnung mehr auf eine Rückerstattung machen. „Da die Einspruchsfrist bei Bußgeldverfahren 14 Tage beträgt, handelt es sich um abgeschlossene Verwaltungsakte“, sagte ein Sprecher der Stadt Herne, im Gespräch mit wa.de. Somit wäre einer Erstattung der nicht korrekten Bußgelder und zu Unrecht erteilten Fahrverbote ausgeschlossen. Ein finanzieller Gewinn für die klamme Kasse der Kommune, denn durch die Geldstrafen ist ein fünfstelliger Betrag zusammengekommen.
Es gibt allerdings eine Ausnahme von der strengen Einspruchsfrist: „Man hat die Frist unverschuldet versäumt, weil man zum Beispiel im Urlaub war [und somit keine Kenntnis vom Bußgeldbescheid hatte]“, erklärt Rechtsanwalt Christian Solmecke. Weiter sagt er: „In einem solchen Fall muss man den Einspruch so schnell wie möglich nachreichen, die Gründe für das Fristversäumnis darlegen und einen Antrag auf Wiedereinsetzung stellen.“
Eine einzige erfolgreiche Klage
Nur ein Mann ließ diese Ungerechtigkeit nicht auf sich sitzen und reichte rechtzeitig Widerspruch ein. Der 55-jährige Autofahrer gewann den Rechtsstreit gegen seinen Bußgeldbescheid. Da das neue Verkehrszeichen ohne jegliche Genehmigung aufgestellt wurde, übernimmt die Stadt die Kosten für das Bußgeld sowie für den Prozess.
Der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung teilte der Kläger mit: „Wenn ich etwas falsch gemacht habe, ist das in Ordnung.“ Aber für die Fehler anderer wolle er verständlicherweise nicht die Verantwortung übernehmen.
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Quelle: t-online.de, wa.de, wa.de