Es gibt kaum ein Thema, das so umstritten ist, wie die Einführung eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen. Die Befürworter versprechen sich mehr Sicherheit und einen Beitrag zum Umweltschutz. Gegner hingegen sehen darin einen Eingriff in ihre Freiheitsrechte. Weil Fakten auf Emotionen treffen, wird die Diskussion entsprechend hitzig geführt. Grund dafür sei auch eine „gewollte“ Forschungslücke.
Die Sache mit Tempolimits in Deutschland
Deutschland ist das einzige Land in der ganzen Europäischen Union, in dem es kein Tempolimit auf der Autobahn gibt. Einschränkungen bei der Höchstgeschwindigkeit müssen deshalb in der Regel begründet sein, wie das etwa im Verlauf von Baustellen, an Unfallschwerpunkten oder aus Lärmschutzgründen auch regelmäßig der Fall ist. Aufgrund dessen sind bundesweit etwa 30 Prozent des Autobahnnetzes dauerhaft oder zeitweise geschwindigkeitsbeschränkt. Auf den restlichen Abschnitten dürfen Autofahrer grundsätzlich mit Vollgas fahren. Diese Praxis soll aber ein Ende haben.
Unterstützer des allgemeinen Tempolimits plädieren häufig für eine Grenze von 130 km/h und Klimaaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ fordern sogar nur 100 km/h. Einige EU-Länder tendieren dagegen in eine andere Richtung. So meldet der Merkur, dass Italien und Tschechien darüber nachdenken, die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 150 km/h zu erhöhen. Zurzeit gilt dort noch ein Tempo von maximal 130 km/h.
Tempolimit wird wieder aufgehoben
Dass Tempolimits an Gefahrenstellen notwendig sind und auch zu positiven Resultaten führen können, zeigt ein Abschnitt der Autobahn A24. Dieser befindet sich in unmittelbarer Nähe des Ortes Walsleben in Brandenburg. Dort wurde aufgrund von sehr hohem Unfallgeschehen mit Todesfolge bereits 2003 die Höchstgeschwindigkeit auf 130 km/h begrenzt.
Im März 2023 wurde diese Entscheidung allerdings von der zuständigen Autobahn GmbH aufgehoben. Der Grund: Die Anzahl an Unfällen ist drastisch gesunken. Offenbar ist damit auch die Rechtsgrundlage für die Geschwindigkeitsbegrenzung an dieser Stelle weggefallen. Für die Anwohner, die teilweise keine 100 Meter von der Gefahrenzone wohnen, ist es ein Schlag ins Gesicht und vor allem nicht nachvollziehbar.
Für Bürger unlogisch
Eine Ortsansässige, Maike R., erinnert sich im Gespräch mit dem ZDF an die Zeit vor der Sicherheitsmaßnahme: „Ich war früher selbst in der Feuerwehr, wir hatten wirklich schlimme Einsätze.“ Ihre Befürchtungen für die Zukunft versprechen nichts Gutes: „Ich gehe fest davon aus, dass die Unfallzahlen wieder steigen werden.“
Auch bei Lokalpolitikern trifft die Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf Unverständnis. So kritisiert Bürgermeister Burghard Gammelin: „Die Einführung des Tempolimits hat ja gewirkt. Es gab weniger Unfälle.“ Weiter sagt er: „Dass eine wirkungsvolle Maßnahme wieder aufgehoben wird, ist für mich völlig unlogisch.“
Für die Politik vollkommen logisch
Verkehrsminister Volker Wissing ist jedoch der Meinung: Dort, wo es keine Gefahren gibt, brauche es kein Tempolimit. Denn auch die Straßenverkehrsordnung (StVO) sieht in der Regel keine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn vor.
Bereits Anfang des Jahres hat Wissing seinen Standpunkt gegenüber der Bild zur Einführung einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung deutlich gemacht. Wie schnell ein Kraftfahrzeugführer unterwegs ist, lege in der Verantwortung des Einzelnen und sei nicht etwa durch eine politische Entscheidung durchzusetzen.
Hinzukommt, dass der Vergleich von Sicherheitsniveaus von Ländern mit Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn und Deutschlands, keinen direkten Zusammenhang darlegen könne. Hierzulande lag dieser laut den jüngsten Informationen aus 2020 bei 1,48 Toten pro eine Milliarde Fahrzeugkilometer. Ein Bericht des ADAC macht die Zahlen vergleichbar. Der ADAC berichtet darüber und vergleicht die Zahlen:
- Frankreich (130 km/h*): 1,56 Tote pro eine Milliarde Fahrzeugkilometer
- Tschechien (130 km/h*): 2,53 Tote pro eine Milliarde Fahrzeugkilometer
- Österreich (130 km/h*): 1,28 Tote pro eine Milliarde Fahrzeugkilometer
- Schweiz (120 km/h*): 0,85 Tote pro eine Milliarde Fahrzeugkilometer
*Zurzeit geltende Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen im jeweiligen Land.
Umweltbundesamt-Studie wird hinterfragt
Nicht nur die Verkehrssicherheit könnte womöglich von einer bundesweiten Geschwindigkeitsbeschränkung profitieren. Die daraus resultierenden CO₂-Emission-Ersparnisse rücken immer häufiger in den Vordergrund. Zu diesem Thema hat das Umweltbundesamt (UBA) Januar 2023 eine Studie veröffentlicht. Demzufolge könnten durch ein grundsätzliches Tempolimit von 120 km/h etwa 6,7 Millionen Tonnen CO₂ eingespart werden. Zuvor ging man nur von 2,7 Millionen Tonnen aus.
Dieses Ergebnis stellte die FDP, in der auch der jetzige Verkehrsminister Mitglied ist, infrage und beauftragte die Forscher Alexander Eisenkopf und Andreas Knorr, die genannte Untersuchung zu überprüfen. Im Gegensatz zum UBA kamen sie zu dem Schluss, dass die jährliche Einsparung tatsächlich nur 1,1 Millionen Tonnen betragen würde. Auch diese Zahl wird wiederum angezweifelt. Bei dem Streit dreht man sich im Kreis.
Keine eigene Studie des Bundesverkehrsministeriums seit den 70er-Jahre
Nach Angaben des ZDF hat das gegenwärtig FDP geführte Bundesverkehrsministerium seit 1970 keine eigene Studie zu den Auswirkungen von Tempolimits auf deutschen Autobahnen in Auftrag gegeben. Ob es so gewollt ist, weil die Resultate womöglich nicht deren Vorstellungen entsprechen würden? Diese Frage wirft der Ökonom Prof. Christian Traxler von der Berliner Hertie School in den Raum. Er spricht von einer gewollten Forschungslücke und sagt: „Die Datenlage ist in Deutschland erstaunlich traurig.“
Um mehr über die heiß diskutierte Studie des Umweltbundesamtes zu erfahren und wieso das Gutachten der FDP infrage gestellt wird, lesen Sie hier weiter.
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