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Bisher sah Verkehrs­mi­nister Volker Wissing keine Notwen­digkeit, von der Null-Toleranz-Strategie für Kiffer im Straßen­verkehr abzuweichen. Nun aber rudert er zurück und leitet die ersten Schritte für eine mögliche Anhebung der THC-Grenzwerte ein. Kritiker und Befür­worter haben sich längst in Stellung gebracht. Eine Übersicht zur Diskussion.

Wissing plant die THC-Grenzwerte für kiffende Autofahrer zu überprüfen
Aldo_Parrotta / shutterstock.com

Die Regie­rungs­ver­ein­barung

Die Cannabis-Legalisierung ist ein zentrales Vorhaben der amtie­renden Bundes­re­gierung von SPD, Grüne und FDP. Entspre­chend wurde das nach der Wahl zwischen den Parteien vertraglich vereinbart. Obwohl der Bundes­ge­sund­heits­mi­nister Karl Lauterbach die Verant­wortung dafür trägt, wurden schnell auch Forde­rungen an das Verkehrs­mi­nis­terium laut, im Zuge dessen eine gesetz­liche Regelung für den Konsum im Straßen­verkehr zu schaffen. Das Bundes­mi­nis­terium für Digitales und Verkehr (BMDV) sah bis vor kurzem keinen Grund, die jetzigen THC-Grenzwerte anzuheben. Gegenüber der Legal-Tribune-Online betonte das Minis­terium: „Das BMDV sieht derzeit keinen gesetz­ge­be­ri­schen Handlungs­bedarf für eine Änderung des § 24a Abs. 2 Straßen­ver­kehrs­gesetz (StVG)“.

Die angespro­chene Vorschrift besagt:

„Ordnungs­widrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berau­schenden Mittels im Straßen­verkehr ein Kraft­fahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachge­wiesen wird.“

Inzwi­schen wird nun aber im Verkehrs­mi­nis­terium darüber nachge­dacht, diese Regel für Cannabis-Konsumenten aufzuweichen.

Gibt es überhaupt einen Grenzwert für THC?

Die Antwort gibt Christian Marnitz, Fachanwalt für Verkehrs­recht. Er ist tätig im Auftrag für Geblitzt.de: „Nein, im Gegensatz zum Alkohol gibt es keine Grenz­werte für Drogen am Steuer, die die relative und absolute Fahrun­tüch­tigkeit bestimmen. Es gibt aller­dings Empfeh­lungen einer Grenz­wert­kom­mission für Wirkstoff­nach­weise einzelner Betäu­bungs­mittel. Diese Empfeh­lungen werden in der Recht­spre­chung berück­sichtigt. Für Cannabis liegt der analy­tische Grenzwert bei 1,0 ng/ml THC -Gehalt im Blut. THC (Delta-9-Tetrahydrocannabinol) ist der psycho­aktive Bestandteil von Cannabis, der für die berau­schende Wirkung verant­wortlich ist. Ab 1,0 ng/ml THC im Blut ist der Drogen­ein­fluss juris­tisch nachge­wiesen. In diesem Fall begeht derjenige eine Ordnungs­wid­rigkeit“.

Der Unter­schied zum Alkohol

Doch anders als beim Alkohol bleibt THC länger im Körper nachweisbar. Somit können auch Autofahrer bestraft werden, die während der Fahrt offenbar unter keinem Rausch stehen. Aber noch vor einigen Tagen Gras konsu­miert haben. Sollten bekiffte Fahrzeug­führer dabei das erste Mal erwischt werden, drohen in der Regel ein Bußgeld in der Höhe von 500 Euro, zwei Punkte in Flensburg und ein einmo­na­tiges Fahrverbot. Schlimmer könnte es Wieder­ho­lungs­täter treffen. In solchen Fällen würde sich das Bußgeld gegebe­nen­falls auf bis zu 3000 Euro erhöhen. Zumindest für Ersttäter, die unter einer noch zu findenden Grenze bleiben, könnte sich die Rechtslage somit verbessern.

Verkehrs­rechtler wären dafür

Verkehrs­experten und Rechts­me­di­ziner fordern schon seit längerem eine Anhebung des derzei­tigen Grenz­wertes für THC im Blut im Straßen­verkehr. Denn zurzeit kann mit den Werten nur der Konsum von Cannabis bewiesen werden, „aber nicht zwingend einen Rückschluss auf eine verkehrs­si­cher­heits­re­le­vante Wirkung (belegen)“. Ein Argument, dass die Befür­worter einer Änderung der gültigen Regel im Rahmen des 60. Deutschen Verkehrs­ge­richts­tages vorge­bracht haben.

Wissing beauf­tragt Arbeits­gruppe zur Überprüfung

In Zuge der hitzigen Debatte um die Anhebung der Grenz­werte für THC hat Verkehrs­mi­nister Wissing seine Verwei­ge­rungs­haltung aufge­geben. So schließt sich Wissing dem Wunsch seiner Partei­freun­dinnen an. Kristine Lütke, sucht- und drogen­po­li­tische Sprecherin der Bundes­tags­fraktion der Liberalen, sagte zu Wissings vorhe­rigen Position „Der THC-Grenzwert im Straßen­verkehr muss im Zuge der Legali­sierung von Cannabis erhöht werden“. Zudem wünschte sie sich, „dass Verkehrs­mi­nister Wissing die THC-Grenzwerte zeitnah überprüfen lässt und sinnvoll nach oben anpasst“.

Inzwi­schen ist der Verkehrs­mi­nister den Wünschen gegenüber aufge­schlossen und will handeln. Eine wissen­schaft­liche Arbeits­gruppe soll Vorschläge für THC-Grenzwerte erarbeiten. Diese besteht aus Experten aus Medizin, Recht und Verkehr.

Die Grenz­wert­findung dauert an 

Wann mit Ergeb­nissen der Arbeits­gruppe zu rechnen ist, bleibt ebenso offen wie ein Grenzwert. Ob und unter welchen Umständen nach dem Kiffen noch Auto gefahren werden darf, kann zum jetzigen Zeitpunkt keiner sagen. So hat auch die Grenz­wert­kom­mission (GWK) deren vorherige Stellung zum wissen­schaft­lichen THC-Grenzwert abgeändert und ist zu dem Entschluss gekommen, dass es eine politische Entscheidung sei und keine rein wissen­schaft­liche. Professor Stefan Tönnes Vorsit­zender der GWK, sagt: „Es (gibt) keine Möglichkeit, einen wirkungs-, gefahren- oder risiko­be­zo­genen THC-Blut/Serum-Konzentrations-Grenzwert mit vertret­barer wissen­schaft­licher Begründung festzu­legen“.

Die juris­tische Lösung

Verkehrs­experten des Deutschen Anwalts­verein (DAV) haben eine Lösung parat, die auch zum Teil von der GWK unter­stützt wird. So hat der Vorsit­zende der GWK seit längerem eine Anhebung auf 3,5 ng/ml vorge­schlagen. Verkehrs­rechtler Andreas Krämer vom DAV pflichtet bei: „Diese noch sehr defensive Anhebung kann jeden­falls auch bei nicht zu errei­chender Einzel­fal­lun­ge­rech­tigkeit eine pragma­tische Lösung sein, um wenigstens die Fälle aus der verkehrs­recht­lichen Krimi­na­li­sierung heraus­zu­nehmen, die keine Gefährdung des Straßen­ver­kehrs darstellen“.

Zusage der FDP

Die FDP sieht die Pläne einer Arbeits­gruppe bereits als Zeichen, dass es zu einer Anhebung des THC-Grenzwertes kommen wird. So feiert Lütke, sucht- und drogen­po­li­tische Sprecherin der FDP auf Twitter, schon bevor es bekannt war, wann und mit wem die Arbeits­gruppe mit ihrer Arbeit loslegt: „Good News. Im Zuge der Legali­sierung von Cannabis werden die THC-Grenzwerte im Straßen­verkehr von unserem Verkehrs­mi­nister Wissing überprüft und angepasst. Die kontrol­lierte Freigabe von Cannabis darf nicht durch die Hintertür torpe­diert werden.“

Nach Lütkes Aussage geht es nicht mehr darum, ob es eine Anhebung geben wird, sondern nur noch, wie hoch diese sein soll.

Die nächsten Schritte

Doch das BMDV ist eher zurück­hal­tender und will keine Prognose abgeben. „Im Rahmen des § 24a Abs. 1 StVG ist nach der bishe­rigen Recht­spre­chung allein entscheidend, ob die Möglichkeit der Beein­träch­tigung der Fahrun­tüch­tigkeit bestand“, so das BMDV. Es bleibt einzig und allein auf die Ergeb­nisse der Arbeits­gruppe abzuwarten.

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Quellen: gesetze-im-internet.de, lto.de