Kaum Fortschritte und viel Kritik an der Verkehrswende in der Hauptstadt
In der Theorie sah die vor fünf Jahren von SPD, Grünen und Linken ins Leben gerufene Verkehrswende in Berlin ganz passabel aus. Inzwischen aber wird deutlich, dass die Idee, Radfahrern und Fußgängern zulasten der Autofahrer mehr öffentlichen Raum zu schaffen, in der Praxis nicht ganz so leicht umzusetzen ist.
Stockender Verkehr und Parkplatzprobleme
Der Anreiz auf das Fahrrad oder den Öffentlichen Personennahverkehr umzusteigen, um die Stadt in ein grüneres Licht zu tauchen, hat bislang offensichtlich nicht funktioniert. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, stieg die Zahl der zugelassenen Pkw in Berlin trotz drohender Parkplatzknappheit und für Autos gesperrter Zonen zuletzt auf 1,243 Millionen.
Blaupause Friedrichstraße
Am Beispiel des Testlaufs an der Friedrichstraße werden die Probleme sichtbar. Hier wurde ein prominenter Abschnitt vor zwei Jahren für Autofahrer gesperrt, um eine Flaniermeile für Fußgänger zu schaffen. Doch weder die Bürger noch die an der Einkaufsstraße ansässigen Ladengeschäfte profitieren im gewünschten Umfang von der Aktion, zumal auch der gelb aufgemalte Radweg als störend empfunden wurde.
Die Mobilitäts- und Umweltsenatorin Bettina Jarasch von den Grünen sieht Nachholbedarf und will nun auch die Radfahrer von der Friedrichstraße verbannen. Für Jarasch ist das Nachjustieren kein ungewöhnlicher Vorgang, denn die "Mobilitätswende gelingt nur, wenn wir offen sind fürs Ausprobieren. Und dann aber auch konsequente Entscheidungen treffen."
Kritik von allen Seiten
Im Graefekiez in Friedrichshain-Kreuzberg soll nun die Idee realisiert werden, dass alle privaten Parkplätze Spielstraßen weichen sollen. Dass sich die Anwohner in der Folge ihren Platz in Parkhäusern suchen müssen, stößt bei der CDU auf scharfe Kritik.
Der Plan der Stadt, zahlreiche Straßen und Plätze autofrei zu gestalten, kommt auch beim ADAC nicht gut an. Der Autoclub bemängelt das Fehlen eines Gesamtkonzepts. Anstelle von Verboten sowie der Verteuerung und Reduzierung des Straßen- und Parkraums, müsse vielmehr der ÖPNV attraktiver gestaltet werden.
Doch auch die Radfahrlobby ist mit den bisherigen Ergebnissen nicht zufrieden. Von dem geplanten 3000 Kilometer Radwegausbau, wurden 2021 gerade mal 39 Kilometer umgesetzt. „Statt Flickwerk und Wegen, die im Nichts enden, braucht Berlin dringend ein durchgängiges Netz an guten Radwegen“, sagt Lisa Feitsch vom Radfahrerclub ADFC und bemängelt den politischen Willen für eine echte Veränderung.
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Quelle: süddeutsche.de