Warum die automatische Erkennung von Tempolimit-Schildern gefährlich sein kann
Dass der Einsatz von KI im Straßenverkehr nicht ohne Risiko ist, haben Unfälle beim autonomen Fahren schon gezeigt. Doch auch die bereits in vielen Neuwagen verbaute Technik, bei der Tempolimits mittels Bilderkennung angezeigt werden, wirft Fragen in puncto Sicherheit auf. Was etwa sind die Folgen, wenn sich die Künstliche Intelligenz durch Fake-Tempolimit-Schilder in die Irre führen lässt?
Tempolimit-Schild in Eigenregie
Ein solcher Fall hat sich nach Informationen von „Die Welt“ in Konstanz am Bodensee ereignet. Die Anwohner aus drei kleinen Gemeinden hatten eigene Verkehrsschilder gebastelt, um auf ihre Tempo-30-Forderung aufmerksam zu machen. In der Folge beschwerten sich zahlreiche Autofahrer bei der zuständigen Behörde, weil deren Assistenzsysteme die Hinweisschilder als amtliche Geschwindigkeitsbegrenzung interpretierten.
Manche Fahrzeugmodelle hätten sogar automatisch abgebremst. Um einer potenziellen Unfallgefahr entgegenzuwirken, empfahl die Behörde, die Schilder zu entfernen. Die darauf folgenden Klagen der Anwohner wurden vom Gericht abgewiesen.
Umwelt zu komplex für den Einsatz von KI
Was kann man aus dieser Erfahrung für die Zukunft der KI-Anwendung auf deutschen Straßen lernen? Für „Die Welt“-Redakteur Benedikt Fuest steht fest: „Die Realität muss vereinfacht werden, um die Algorithmen nicht zu verwirren. Irritierende Pseudo-Verkehrszeichen sind ein klassisches Beispiel dafür, dass unsere Umwelt noch immer zu komplex für den bedenkenlosen Einsatz künstlicher Intelligenz ist.“
In solchen Grenz- oder Randfällen wären die Algorithmen nicht auf die spezifische Situation trainiert und daher überfordert. Kritische Stimmen würden demnach davon ausgehen, dass künstliche Intelligenz in vielen Bereichen vorerst nicht wirtschaftlich sicher zum Einsatz kommen könne.
Autonomes Fahren auf dem Prüfstand
Dass Grenzfälle gar nicht selten auftreten, sagt auch Igal Raichelgauz, der Chef des israelischen KI-Start-ups Autobrains. Im Zuge der Forschung hinsichtlich autonomen Fahrens würde die KI permanent auf solche Randfälle stoßen, sodass der Fahrer häufiger als gewünscht in den Prozess eingreifen müsse. Vollautonome Systeme könnten so nicht die Anforderungen der Realität bestehen.
Die Systeme „mit so vielen Daten wie möglich zu trainieren“, so Raichelgauz, sei aktuell auch keine Lösung, denn: „Ganz schnell stößt man an die Grenzen der Rechenkapazitäten, sowohl beim Training als auch später bei der Anwendung im Fahrzeug.“
Kleinteiliger Lösungsansatz
Als Experte für simulierte Realität beim Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) gibt auch Christian Müller zu bedenken: „Die klassischen Randfälle vermag man noch vorherzusehen, sie definieren die Grenzen der Leistungsfähigkeit eines Algorithmus, innerhalb derer er klarkommt. Doch was ist mit den Problemen, die so selten sind, dass wir nicht einmal ahnen, dass sie da sind?“
Bei Autobrains versucht man daher, nicht einen Algorithmus für alles zu trainieren, sondern kleineren Problemen mit spezialisierten Algorithmen Herr zu werden. Für Müller, ein vielversprechender Ansatz, „denn es bedeutet, dass aufwendige Algorithmen, die nur sehr teuer zu trainieren sind, durch kleinere Modelle ergänzt und angepasst werden können“. Ob eine KI damit künftig der komplexen und stets im Wandel befindlichen Welt gerecht werden kann, wird sich noch zeigen müssen.
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Quelle: welt.de