Wer betrunken hinters Steuer steigt, dem droht in der Regel der Entzug der Fahrerlaubnis. Ganz egal, ob man im Auto sitzt oder auf der schmalen Trittfläche eines E-Scooters steht. So ist bisher die regelmäßige Rechtsprechung. Doch macht das Sinn? Darüber wird immer wieder heftig diskutiert. Die Anwältin für Verkehrsrecht, Schahrzad Farnejad, ist im gegnerischen Lager und sagt klipp und klar: Nein. Wieso, erfahren Sie hier.
Welche Promillegrenzen gelten zurzeit?
Insbesondere in Großstädten sind E-Scooter ein beliebtes Verkehrsmittel. Die elektrischen Tretroller sind leicht zu bedienen und einen Führerschein braucht es dazu auch nicht. Doch wenn Alkohol ins Spiel kommt, gelten hier dieselben Regeln wie für das Führen von Kraftfahrzeugen: Ab 0,5 Promille drohen saftige Bußgelder, Fahrverbote und Punkte in Flensburg. Spätestens ab einem Blutalkoholspiegel von 1,1 Promille überschreiten Fahrer zudem die Grenze zur Straftat. Führerscheinverlust, hohe Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafen können dann die Folge sein.
Treten auch noch alkoholbedingte Ausfallerscheinungen auf, wie etwa in Schlangenlinien fahren oder Verstöße gegen die Verkehrsregeln, machen Betroffene sich auch schon ab einem geringeren Promillewert strafbar. Die meisten Oberlandesgerichte (OLG) sehen daher oftmals eine Strafbarkeit wegen Trunkenheit im Verkehr nach §316 Strafgesetzbuch (StGB) gegeben. Ist das der Fall, wird nach § 69 StGB die Fahrerlaubnis entzogen. Darin sieht allerdings Rechtsanwältin Schahrzad Farnejad ein großes Problem.
Sind E-Scooter Kraftfahrzeuge?
In einem Beitrag auf der Website der Kanzlei WBS Legal kritisiert die Juristin die Gleichstellung von E-Scootern und Autos: „Das ist meiner Meinung nach völlig unverhältnismäßig und entspricht nicht dem Sinn des Gesetzes.“ Dabei verweist sie auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH). Die Richter des BGH haben verkündet, dass Elektrotretroller nur dann als Kraftfahrzeuge gelten, wenn sie schneller als 20 Km/h fahren können. Denn dann handelt es sich nicht mehr um sogenannte Elektrokleinstfahrzeuge.
Jedoch tendieren zahlreiche OLGs dazu, auch bei Trunkenheitsfahrten auf weniger schnellen Fahrzeugen, die Fahrerlaubnis einzukassieren. Und das, obwohl der BGH in seinem Beschluss offen ließ, ob alle E-Scooter bezüglich der Promillegrenzen einem Kraftfahrzeug gleichzustellen sind.
Sind E-Scooter weniger gefährlich als Autos?
Die Verkehrsexpertin sieht vor allem ein Problem bei der Vorgehensweise der Oberlandesgerichte. Sie ist der Meinung, dass in der Regel zu wenig Beweise für einen Entzug der Fahrerlaubnis vorhanden wären. Nur weil jemand betrunken auf einem elektrischen Tretroller gefahren ist, sei er nicht ohne Weiteres ungeeignet, ein Kfz zu führen.
Vielmehr sei die Hemmschwelle, sich nach einem feuchtfröhlichen Besuch in der Stammkneipe auf einen E-Scooter zu stellen, deutlich niedriger. Dies sei anders, als sich beschwipst hinters Steuer zu setzen.
Hinzu käme, dass die Kleinstfahrzeuge angeblich ein erheblich niedrigeres Gefahrenpotenzial hätten. „Wer […] einen E-Scooter fährt, begibt eher sich als andere in Gefahr. Die Scooter sind […] leichter als Kraftfahrzeuge und wesentlich instabiler“, erklärt Farnejad. Und: „Trunkenheitsfahrten mit E-Scootern passieren zumeist auch spät nachts und auf kurzen Strecken, sodass eine Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer wesentlich ferner liegt als bei Fahrten mit beispielsweise PKWs.“
Dementgegen hat das OLG Frankfurt am Main bereits in einem entsprechenden Fall deutlich gemacht, dass auch ein noch so niedriges Potenzial für schwerwiegende Unfälle genügend sei, um die Fahrerlaubnis einzuziehen. Das Fachmagazin Legal Tribune Online (LTO) berichtet über die kontroverse Entscheidung der Richter und sagt: „Die Gefährlichkeit macht das OLG vorliegend jedoch nicht an statistischen Häufigkeiten fest; vielmehr genügt ihm für die Gleichsetzung von Autos und E-Scootern der Hinweis, dass die Nutzung beider Fahrzeuge tödliche Folgen haben kann.“
Was wäre eine bessere Lösung?
Auch die Situation, die entsteht, wenn man nach einer Trunkenheitsfahrt mit einem Elektrotretroller erwischt wird und dementsprechend den Führerschein verliert, erscheint der Anwältin höchst widersprüchlich. Zwar kann der Verurteilte kein Auto mehr fahren, aber weiterhin einen E-Scooter in Betrieb nehmen. Dafür braucht man ja schließlich keine Fahrerlaubnis. „Dies ist und kann offensichtlich nicht im Sinne des Gesetzgebers und der Rechtsprechung sein“, so Farnejad.
Daher plädiert sie vielmehr für empfindliche Fahrverbote als drastische Strafen wie der Entzug der kompletten Fahrerlaubnis. Zudem sollte ihrer Ansicht nach lediglich die Weiterfahrt mit E-Scootern verboten sein.
Was sagen andere Experten?
Schahrzad Farnejad ist nicht die Erste, die Kritik an der zurzeit noch geltenden Alkoholgrenzwerten geäußert hat. Einige Experten haben sich in der Vergangenheit für eine Erhöhung der Werte auf 1,6 Promille ausgesprochen. Damit wären die Fahrer der Kleinstfahrzeuge mit Fahrrad- und E-Bike-Fahrern gleichgestellt.
Der ADAC hingegen stimmt einigen Punkten, wie der niedrigeren Unfallgefahr, die von E-Scootern ausgehen würde, zu. Jedoch kommt er zu einer vollkommen anderen Bewertung. Der Bayerische Rundfunk berichtet über die Forderung des Automobilclubs: „Alkoholisierten E-Scooter-Nutzer sollte ab einem Blutalkoholwert von 1,1 Promille die Erlaubnis zum Fahren von elektrischen Tretrollern entzogen werden, falls der oder die Betroffene keinen Autoführerschein besitzt.“ Weiter verlangt der Club: „Darüber hinaus sollten E-Scooter-Fahrer ähnlich wie Mofa-Fahrer in einer theoretischen Prüfung Straßenverkehrskenntnisse nachweisen müssen.“
Was jedoch alle gemeinsam haben: Sie wollen eine bundeseinheitliche und konkrete Entscheidung. Wann diese womöglich kommt, bzw., ob es überhaupt eine geben wird, ist zurzeit noch ungewiss.
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